Was sind Wetterpilze?
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Wer einem Wetterpilz zu nahe tritt wird schnell seiner Symbolhaftigkeit und Wirkung verfallen. In ihm begegnet man einem der bizarrsten architektonischen Kunstwerke, die unsere Natur- und Kulturlandschaften hervor gebracht hat. Zwei Elemente, ein Stamm / eine Säule und ein Dach / ein Hut, beide an sich unspektakulär, sind im Pilz tänzerisch vereint. Darin liegt letztlich die Ursache seiner Wirkung verborgen. Die Einstämmigkeit hat etwas Bestimmendes, ungestüm Jugendliches und nach Unendlichkeit Strebendes, während das Dach als begrenzendes, moderierendes und weises Element wie ein Gegenpol fungiert. Das Prinzip solcher zwei aufeinander bezogenen gegensätzlichen Elemente hat schon seit jeher den Menschen zu philosophischen Höhenflügen motiviert oder die Phantasie angeregt. Da stellt sich irgendwann auch die Frage nach seiner Herkunft. Als Staffage findet man ihn in Abhandlungen der Geschichte der Gartenkunst bereits seit einigen Jahrhunderten, spätestens seit der ersten sog. Landschaftsgärten in Europa beschrieben. Angesiedelt irgendwo zwischen simplen Zierbau und einfachsten denkbaren Gebäude kennt man ihn im deutschsprachigen Raum als "Schutzpilz", "Rastpilz", "Schirmdach", "Schwammerl", "Parasol", manchmal auch "UFO" oder doch meistens einfach nur als "Wetterpilz" oder "Pilz" bezeichnet. Ein weiblicher Name ist bislang noch nicht bekannt, obwohl er mit seinem runden Dach aus einem weiblichen und mit seinem aufrechten Stamm aus einem männlichen Element zusammengesetzt ist. Man trifft sich "am Pilz", er steht auf dem "Pilzberg", der benachbarte Teich heißt "Pilzteich" und vieles mehr. Er ist uns ein "Bekannter", ein "Vertrauter" - doch weder Duden noch Brockhaus kennen seine Namen. Wenn er ein Gebäude ist, dann ein offenes und einladendes, denn er hat keine Mauern oder Balken und keine verschlossene Türen, so dass alle hier einfach eintreten können. Sieht man in ihm aber ein Kunstwerk, dann eines, das in keinem eitlen Museum versteckt werden muss, sondern sich seinen Betrachtern öffentlich und kostenlos präsentiert. Auf welche anderen Elementen unserer Natur- und Kulturlandschaft treffen solche schwärmerischen Attribute zu? Und dennoch bleibt es nicht aus, auch ihn sachlich zu beschreiben. Und das soll nun geschehen. Formal stellt er einen nach außen offenen, allein- und freistehenden immobiler Unterstand* mit einem einzelnen, zentral gelegenen tragenden Stamm bzw. Säule oder Säulengruppe dar, auf der eine starre Decke ruht. Als Abgrenzungskriterium erkannte Bernhard Rusam die auf unbestimmte Dauer angelegte feste Verbauung. Äußerlich erinnert er in dieser Grundform an den Fruchtkörper erwachsener Ständerpilze. Daraus leiten sich auch seine Namen ab, unter denen der "Wetterpilz" die größte allgemeine Anerkennung besitzt und so im weltweiten Kartografie-Projekt OpenStreetMap als Bezeichner verwendet wird. Deswegen soll er im Weiteren auch so hier genannt sein. Aber das kann jeder so halten wie er / sie das möchte. Zumeist in Grünanlagen, Parks oder Wandergebieten aufgestellt, gehört er zu den Staffagebauten, wird jedoch auch als Schutz vor leichten Niederschlägen genutzt, ist Treff- und Ruhepunkt und stellt ein herausragendes ästhetisches Gestaltungsmittel der ihn umgebenden Kulturlandschaft dar. Man findet ihn vorwiegend aber nicht ausschließlich in Deutschland. In seiner einfachsten Ausprägung besteht er aus einem Stamm und einer Decke (in Anlehnung an die Anatomie von Pilzen auch "Stiel" und "Hut" genannt), die unter Erhalt der Rotationssymmetrie auf einfachste Art miteinander verbunden eine Ausgestaltung der architektonischen Grundform des Pilzes darstellen.
Stammhöhe und Deckendurchmesser betragen i. d. R. 3-5 m. Der Statik ist geschuldet, dass der Wetterpilz unter der Erdoberfläche eine besondere Gründung besitzt.
Als Baumaterial für die tragenden Teile des Wetterpilzes finden Holz, Stahl und Beton Einsatz. Holz wird meistens in Form ganzer Balken oder Bretter, gelegentlich auch ein Baumstamm als Säule des Pilzes verwendet. Stahlelemente werden entweder zur Stabilisation oder auch in Form von Hohlkörpern als Säule integriert. Ein Beton-Fertigbaupilz, wie er in großem Stile in Köln errichtet worden ist, besteht vollständig aus Guss-Beton. Manchmal werden Pilze mit Reisig, Blech, Dachpappe oder Schieferplatten bedeckt. Eine Wetterpilz-Konstruktion aus Glas oder Kunststoff ist nicht bekannt.
Neben den beiden genannten Bestandteilen Säule und Decke, kann der Wetterpilz noch weitere Anbauten besitzen. Dazu gehören insbesondere Sitzgelegenheiten, die entweder in die Säule integriert, fest an der Säule montiert oder separat um den Stamm herum gebaut sind. Bei einigen Wetterpilzen sind Bänke außerhalb der Reichweite der Decke angebracht oder fehlen gänzlich. Vereinzelt existieren Wetterpilze, in denen eine Feuerstelle baulich integriert ist oder sich in direkter Nachbarschaft befindet. Bei aufwändig gestalteten Wetterpilzen lassen sich häufig gemauerte Zu- bzw. Abgänge sowie Untermauerungen aus Stein finden. *für Menschen geeigneter Unterstand
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