Zur Geschichte der Wetterpilze
Geschichte:
Eine Bleistiftzeichnung des Genremalers Hermann Ziebland aus dem Jahre 1880 zeigt einen der Wetterpilze ("otahitisches Schirmdach") im Englischen Garten in München, der auf das Jahr 1795 datiert ist und zur Zeit als ältester Beleg eines Wetterpilzes gilt. Betrachtet man die Geschichte der europäischen Gartenkunst, so ist diese im auslaufenden 18. Jahrhunderts von den Einflüssen der Englischen Gartenkunst besonders geprägt worden. Dies war die Zeit der Abkehr von Strenge und Diktat in jeglicher Form und der Übergang in die Epoche der Aufklärung. Dieses Klima, das auch von einer neuen Weltoffenheit bestimmt war, hinterließ seine Spuren u. a. in der Gestaltung der Englischen Gärten, z. B. auch in Garzau. Die Eindrücke der zeitlgleichen Entdeckerreisen in die Südsee von James Cooks und Georg Forster, schlugen sich in der Gestaltung der Gärten nieder, was man in Garzau sehr schön an den "otahitischen Partien", die möglicherweise stilistische Ausgangspunkte der heutigen Wetterpilze darstellen, erkennen kann. (An dieser Stelle vielen Dank an Prof. Reimann vom Förderverein Pyramide und Schlosspark Garzau e.V. für die Aufnahmen der kolorierten Stiche des Malers Friedrich Genelly, die einige um 1790 in Garzau entstandene Parasole wiedergeben. Sie stellen Szenen des ehemaligen Gartens vom Grafen F.W. C. v. Schmettau (1743-1806) dar). Die historische Bedeutung des Wetterpilzes beweist auch seine Aufnahme als Chinesisches Parasol in Prof. J. G. Grohmanns "Ideenmagazin für Architekten, Künstler und Handwerker", das -1838 in Leipzig erschienen- ein Standardwerk der Gartenarchitektur seiner Zeit darstellte.
Ob jedoch diese Hinweise tatsächlich auf den Ursprung der Wetterpilze deuten, oder ob nicht doch Wetterpilze Bestandteile germanischer Kultstädten, Kunstobjekte fremder Zivilisationen oder alter verschollener Kulturen sind oder ihre Herkunft noch tiefer im Dunklen verborgen liegt wird weiterhin untersucht. Zu verlockend ist die Vorstellung von Wetterpilzen als eine Art lebendiger Architektur-Fossilien, als dass sie Resultat einer profanen Zufallsentwicklung im Bereich des Funktions- oder Staffagebaus sein könnten. Ihrer Kurzlebigkeit ist die Schwierigkeit ihres geschichtlichen Nachvollzugs geschuldet. Ganz zu schweigen vom Mittelalter gilt dies auch für das 19. Jahrhundert. Hier warten noch viele Gemälde auf eine Sichtung im Hinblick auf Wetterpilze. Detaillierte Beweise für die Existenz von Wetterpizen Anfang des 20. Jahrhunderts sind insbesondere in Spremberg bei Cottbus, Struppen bei Dresden und Burkhardtsdorf in Sachsen nachweislich. Daneben gibt es etliche Postkartenmotive mit Wetterpilzen dieses Zeitraums. Auf dieser Website sind die "historischen" Wetterpilze an der kursiven Schreibweise erkennbar. Hinweise auf die preußischen Verschönerungsvereine, die z. B. in Erfurt nach der Entfestigung Mitte des 19. Jahrhunderts aktiv waren, zeigen, dass vielleicht dort ein Motor für die Wetterpilz-Kultur vor allem in den östlichen Teilen Deutschlands zu sehen ist. Private Bildarchive aus dem Jahr 1935 zeigen einen Wetterpilz in Köln, der im Zuge der Grüngürtelerweiterung am Decksteiner Weiher unter dem damaligen Kölner Bürgermeister und späteren Bundeskanzlers Konrad Adenauer errichtet worden ist. Nach dem 2. Weltkrieg sind im Zuge des Wiederaufbaus nach und nach auch die Parks und Grünanlagen der zerstörten deutschen Städte neu gestaltet worden. Am Beispiel der Stadt Köln lässt sich belegen, dass dort bereits in den 60er Jahren Wetterpilze aus Holz eingesetzt worden sind, die jedoch schnell Feuern zum Opfer gefallen sind. Anfang der 70er Jahre sind dann in großen Stil Wetterpilze in Beton-Fertigbauweise errichtet worden, die sich als widerstandsfähig und pflegeleicht erwiesen haben. Groß angelegte Baumaßnahmen zur systematischen Errichtung von Wetterpilzen nach den 70er Jahren können nicht sicher belegt werden. Grundsätzlich finden sich auch außerhalb Deutschlands Wetterpilze (zuletzt sind welche aus Malta bekannt geworden). Deren Untersuchung erfolgte jedoch bislang noch nicht so detailliert wie es wünschenswert wäre; insbesondere weil die landesspezifischen Bezeichnungen nicht klar sind. Vorabuntersuchungen über das weltumspannende OpenStreetMap Projekt sowie detailliertere Fern-Untersuchungen bedeutender Parkanlagen im Ausland deuten jedoch bislang nicht auf besondrs ausgedehnte Wetterpilzkulturen ausserhalb Deutschlands hin. Wenn, dann sind es jedoch sehr bemerkenswerte Objekte.
Was die jüngere Geschichte angelangt ist z. B. im Berliner Lehnepark 2010 ein neuer und recht modern gehaltener Wetterpilz mit metallenem Runddach errichtet worden. Aus Dezember 2012 stammt ein Wetterpilz aus Brochterbeck im Kreis Steinfurt, in dem Wetterpilze eine gestalterische Selbstverständlichkeit sind und auch weiterhin geplant und errichtet werden. Anfang 2013 ist vom Bau zweier sehr aufwändiger Wetterpilze am Berliner Jungfernheideteich berichtet worden.
Da Wetterpilze nicht nur in Parkanlagen, deren Geschichte teilweise gut untersucht ist, sondern auch in Waldgebieten, zu deren Kulturgeschichte weitaus weniger Quellen-Material dokumentiert ist, zu finden sind, wird das Rätsel um den Ursprung Wetterpilze wohl noch lange sein Geheimnis wahren.
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Wetterpilz von 1795
(Englischer Garten München)

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Otahitische Partie um 1790
(Englischer Garten Garzau)

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Beschrimter Gartensitz 1826
(Marius Wölfer in "Sammlung von auserlesenen und ausführbaren architectonischen Garten-Verzierungen"
Gotha 1826)

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Chinesisches Parasol 1838
(Prof. J. G. Grohmann in "Ideenmagazin für Architekten, Künstler und Handwerker",
Leipzig 1838)